Kölsche Sprache ist Heimat
Die kölsche Sprache hat eine lange Entwicklung durchgemacht. Sie wurde im Laufe der Zeit geliebt und auch verpönt. Wie kam es dazu und seit wann spricht man überhaupt Kölsch?
Unsere kölsche Mundart lässt sich sprachgeschichtlich bis ins fünfte Jahrhundert zurückverfolgen. Zu dieser Zeit herrschten die Franken in Köln, darum wurde sie der mittelfränkischen Mundartgruppe zugeordnet. Die Kölner Mundart wird nach ihrem Ursprung fränkisch-ripuarisch genannt, denn die am Rhein wohnenden Franken wurden ab dem achten Jahrhundert Ripuaren genannt (ripa = Flussufer). Die fränkisch-ripuarische Mundart wurde hauptsächlich im Erzbistum Köln, sowie in den Herzogtümern Berg und Jülich gesprochen. Die ersten schriftlichen Dokumente der kölschen Sprache finden wir allerdings erst im Mittelalter in der Reimchronik des Gottfried von Hagen. Auch die berühmten, zum größten Teil erhaltenen, Schreinbücher weisen Randbemerkungen auf Kölsch auf. Danach wurde lange Zeit nicht mehr kölsch geschrieben. Die Sprache wurde nur noch mündlich überliefert.
Erst Ferdinand Franz Wallraf (1748 – 1824) schrieb wieder kölsch. Es war damals eine etwas paradoxe Sache, dass Wallraf plötzlich die Mundartdichtung betrieb, da man gerade mit viel Mühe die mundartfreie Hochsprache eingeführt hatte. Noch bis ins 16. Jahrhundert findet man in der Literatur immer wieder Dialektteile. Wallraf hatte sich damals zur Aufgabe gemacht die Kölner Traditionen zu erhalten. Dazu gehörte die Kölner Mundart in schriftlicher und mündlicher Form genauso wie die Erhaltung des Kölner Karnevals.
Etwas später begann man damit ein System in die Mundart zu bringen. Der erste, der sich damit befasste, war der Germanist Dr. Johann Matthias Firmenich (1808 – 1889). Das erste Wörterbuch der kölschen Sprache brachte Fritz Hönig 1877 heraus, und 50 Jahre später erschien das dreibändige Kölsche Wörterbuch von Adam Wrede. Die kölsche Mundart bildete immer eine Ausnahme unter den Dialekten. Während sich die übrigen deutschen Dialekte von Beginn an stets an hochdeutsche Texte anlehnten, das heißt, vorhandene Texte wurden in Mundart übersetzt, hat die kölsche Sprache ihre eigenen Texte. Denn Kölsch ist eine eher eigenständige Sprache und kein Dialekt im herkömmlichen Sinn.
Kölsch war bis ins 19. Jahrhundert hinein die Umgangssprache aller Bevölkerungsschichten in Köln. Johanna Schopenhauer schrieb in ihrem Buch „Ausflug nach Köln“ (1828): „Verstehen und sprechen muss diese Volkssprache jeder Einwohner von Köln, denn sie bietet die einzige Möglichkeit, sich selbst den niederen Volksklassen verständlich zu machen und zugleich ihr Vertrauen zu gewinnen“. Ernst Weyden schrieb 1862, dass die echt kölschen Familien die kölsche Mundart mit einem gewissen Stolz bewahren würden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es ist z.B. überliefert, dass der Bankier Abraham Schaafhausen, der unter den Franzosen Präsident der Handelskammer war, nur kölsch sprach. Auch der Justizrat Johann Josef Fischer (Held Carneval 1864) war bekannt aufgrund seiner genauen Kenntnisse der kölschen Sprache. Er plädierte vor Gericht nur auf kölsch, was damals nicht ungewöhnlich war.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat dann plötzlich eine Wende ein. Es gab in Köln, bedingt durch die Revolution 1848, sehr viele Arbeiter und Tagelöhner. Sie sprachen alle kölsch, und so wurde die Mundart über Jahrzehnte als Sprache der Arbeiterklasse abgestempelt. Das Bürgertum, darauf bedacht sich vom Proletariat zu unterscheiden, sprach plötzlich hochdeutsch. Es wurde zum Statussymbol schriftdeutsch zu reden. So kommt den Arbeitern das große Verdienst zu, unseren kölschen Dialekt erhalten zu haben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der totalen Zerstörung der Stadt, sowie einer Überfremdung der Einwohner, hat sich die Situation der Kölner erneut verändert. Das standesbewusste Bürgertum besann sich wieder auf die kölsche Sprache. Sie gab den Menschen jetzt ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Heimat, so wurden die Klassenunterschiede langsam wieder aufgehoben. Die Vorurteile verschwanden. Der Fortfall der Klassenunterschiede hatte jedoch bald eine Umkehrung zur Folge. Die Arbeiter bekannten sich nicht mehr zum Dialekt. Sie wollten nicht länger durch die Mundart abgestempelt werden. So drohte der Mundart eine neue Gefahr, weil nun diejenigen, die die Mundart gepflegt hatten, sie nicht mehr sprachen.
Heute im modernen Industriezeitalter, bei der Mobilität der Menschen, der Völkerverschiebung und der weltweiten Medienverbände besteht die Gefahr, dass Kölsch als gewachsene Sprache verloren geht. Dabei kommt dem Dialekt gerade heute eine wichtige Bedeutung zu, ist er doch die einzige Möglichkeit Menschen verschiedener Regionen zu unterscheiden. Früher konnte man die Menschen zusätzlich an ihren Trachten oder an dem besonderen Stil und der Bauweise ihrer Häuser erkennen und einem Gebiet zuordnen. Solche Unterschiede haben heute keine Bedeutung mehr, denn die Bauweise wurde vereinheitlicht, und Trachten trägt man höchstens noch auf Heimatabenden, oder sie wurden zum Allgemeingut wie das Dirndlkleid und Lederhosen. Durch die Mundart ist jedoch jeder in der Lage Menschen ihrem Geburts- und Wohngebiet zuzuordnen. So werden wir für Fremde durch unsere Kölsche Sprache zum Kölner.
Darum ist es schön zu wissen, dass die kölsche Mundart seit einigen Jahren wieder in allen Bevölkerungsschichten gesprochen wird. Sicher hat auch die „Akademie för uns kölsche Sproch“ einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass unser Kölsch wieder salonfähig geworden ist. Es ist aber auch ein verstärktes Heimatbewusstsein der Kölner festzustellen, das in dem Maße zunimmt, in dem wir uns politisch nach außen öffnen. Durch den Zuzug der vielen Fremden wird die Mundart eher gestärkt als geschwächt. Man spricht jetzt gerade kölsch.
Die Zweisprachigkeit, Hochsprache und Mundart, ist für Köln charakteristisch geblieben. Die kölsche Mundart hat heute einen festen Platz im Unterrichtsplan vieler Kölner Schulen, kölsche Messen sind gefragt, es werden Vorträge und Führungen auf kölsch angeboten und die Mundartliteratur boomt wie nie zuvor. Aber auch jeder einzelne von uns ist gefragt. Sprechen wir doch wieder kölsch mit unseren Kindern und unseren Freunden. Nur so kann unsere Muttersprache, die zu den schwierigsten und eigenwilligsten Dialekten zählt, für unsere Nachkommen erhalten bleiben.
Ilse Prass